Bethel - Kinderrechte- und Schutzkonzept

Das Kinder- und Jugendhospiz Bethel - ein Schutzraum für seine Gäste

Interview mit René Meistrell, Einrichtungsleitung im Kinder- und Jugendhospiz Bethel

Was ist ein Kinderschutzkonzept? - Als Einrichtung zur Begleitung von Kindern und Jugendlichen haben wir eine gesetzliche Verpflichtung, dass unsere jungen Gäste bei uns sicher aufgehoben sind. Unser Kinderrechte- und Schutzkonzept beschreibt, wie wir diese schützen und ihre Rechte wahren. Es ist unser Auftrag und Ziel, ein Umfeld zu schaffen, in dem sie sich respektiert und unterstützt fühlen. Ein solches Konzept gibt es auch in Schulen, Kindergärten, Jugendhilfeeinrichtungen oder anderen Angeboten, die mit Kindern arbeiten. Ihr Schutz vor jeglicher Form von Missbrauch, Gewalt oder Vernachlässigung soll damit sichergestellt werden, aber auch ihre Förderung und Beteiligung. 

Wir haben das Kinder- und Jugendhospiz Bethel immer schon als Schutzort für die betroffenen Gäste und ihre Familien verstanden. Unsere Mitarbeitenden schauen seit jeher sehr sensibel auf ihre Bedürfnisse, Ressourcen und Grenzen. Dementsprechend gestalten wir unsere Begleitung ganz individuell, professionell und einfühlsam gemeinsam mit den Gastfamilien. Leider liest man in den Medien immer wieder von Einrichtungen, in denen das anscheinend nicht so gut gelingt. Deswegen hat der Gesetzgeber mit der Verabschiedung des Kinder- und Jugendhilfestärkungsgesetztes im Mai 2021 die rechtlichen Anforderungen an Einrichtungen für Kinder und Jugendliche erhöht – das ist auch gut so!
 

Was steht drin? Was tun wir konkret, um Kinder im Hospiz zu schützen? - Unser Kinderrechte- und Schutzkonzept basiert auf einer sogenannten »Risiko- und Potentialanalyse«. Das heißt: Sowohl Mitarbeitende als auch Gäste haben sich unsere Einrichtung und unsere Abläufe sehr genau angeschaut und auf Schwachstellen geprüft. Am spannendsten empfand ich dabei die Rückmeldung der betroffenen Kinder und ihrer Geschwister. Sie haben ein sehr feines Gespür dafür, an welchen Orten sie sich sicher fühlen und welche ihnen eher unheimlich sind. Das hat uns wichtige Anhaltspunkte für Verbesserungen gegeben und unseren Blick weiter sensibilisiert. Darüber hinaus haben wir unsere gemeinsame Haltung den Gästen gegenüber in diesem Konzept gebündelt und formuliert. Diese ist geprägt von Schutz, Würde und Wertschätzung, Offenheit und Transparenz. Seit Eröffnung des Kinder- und Jugendhospizes Bethel im Jahr 2012 konnten wir diese Haltung immer klarer herausarbeiten und verinnerlichen. In Teamsitzungen, Klausurtagen und Fortbildungen beziehen wir uns immer wieder darauf und entwickeln diese weiter, denn auch die Herausforderungen verändern sich. Um damit gut und sicher umgehen zu können, braucht es eine stabile Wertebasis - die haben wir!
 

Nicht zuletzt findet sich in unserem Kinderrechte- und Schutzkonzept auch eine »Teamampel«, für die wir gemeinsam konkrete Verhaltensweisen im Umgang mit unseren Gästen bewertet haben. Diese Ampel hilft uns, professionell mit Nähe und Distanz in unserem Arbeitsalltag umzugehen.

Warum brauchen wir ein Kinderschutzkonzept? - Vieles, was wir in den vergangenen Jahren im Kinder- und Jugendhospiz Bethel gemeinsam als Team aufgebaut und entwickelt haben, konnten wir in unserem Kinderrechte- und Schutzkonzept konkretisieren, für alle Mitarbeitenden verbindlich und zugänglich machen. Das gibt Sicherheit im Alltag und im Umgang miteinander. 

Wenn doch einmal etwas passieren sollte, was uns zu der Frage führt: »Geht da alles mit rechten Dingen zu?«, haben wir in unserem Konzept bereits einen Handlungsplan ausgearbeitet, auf den wir uns sofort beziehen und notwendige Schritte einleiten können. Dabei steht der Opferschutz über allen anderen Anliegen. Wir möchten Mitarbeitende ermutigen, uns als Leitungen anzusprechen, wenn ihnen etwas merkwürdig vorkommt – auch, wenn sich diese Unsicherheit auf das Verhalten einer Kollegin oder eines Kollegen bezieht. Wir achten bereits im Bewerbungs- und Einstellungsprozess darauf, dass potentielle Mitarbeitende unsere Werte und Haltung teilen, thematisieren den Kinderschutz immer wieder in diesem Prozess. So möchten wir schon an dieser Stelle potentielle Täter*innen abschrecken.

Welche Berufsgruppen waren an der Erstellung beteiligt? Ist der Prozess abgeschlossen? - Wir haben zu Beginn des Prozesses beine kleine Arbeitsgruppe zur Beschäftigung mit dem Thema gebildet und diese kontinuierlich erweitert. Zunächst bestand diese aus unserer Kinderschutzfachkraft und mir als Einrichtungsleitung. Nach und nach haben wir dann Menschen vor allem aus unseren Arbeitsbereichen Pflege und Pädagogik dazugeholt. Zum Teil konnten wir auch mit dem ganzen Team arbeiten. An manchen Stellen habe ich mich als Leitung zunächst bewusst herausgehalten. So zum Beispiel bei der Erstellung der Teamampel: Mir war es wichtig, dass die Kolleg*innen frei von meinem institutionellen Blick über Verhaltensweisen sprechen konnten. Erst danach haben wir unsere Gedanken übereinandergelegt – mit einem sehr guten Ergebnis, wie ich finde. 

Wie Herausforderungen sich immer wieder ändern, so kann man auch das Thema Kinderschutz nie ganz abschließen. Wir werden unser Konzept regelmäßig überprüfen und schulen, auch die Arbeitsgruppe beibehalten.
 

Welche Herausforderungen bringt die Erstellung eines solchen Konzeptes mit sich? - Die Erstellung eines Kinderrechte- und Schutzkonzeptes ist ein umfangreicher Prozess, der Aufmerksamkeit und Ressourcen fordert. Das macht man nicht einfach so »nebenbei«. Und natürlich kann ein solcher Prozess Mitarbeitende verunsichern, weil er Verhalten hinterfragt und zur Diskussion stellt. Wir müssen dabei eine gute Balance finden – zwischen dem kritischen Blick auf uns selbst und unsere Umwelt sowie dem Vertrauen darauf, dass wir gemeinsam das Beste für die von uns begleiteten Kinder und Jugendlichen im Sinn haben. Ein Kinderrechte- und Schutzkonzept kann uns darin stärken und sollte nicht verunsichern. Eine Mischung zwischen Sensibilität, Klarheit, Sicherheit und Vertrauen sind für mich dabei die wichtigsten Zutaten.