Bethel - Was ist ein Kinderhospiz?

Wie Sonnenstrahlen gegen die Angst helfen

Der Journalist und Autor Manuel Stark hat diesen Text geschrieben, um euch zu erklären was ein Kinderhospiz ist - dieser besondere Ort, an dem Kinder, die sehr krank sind, zusammen mit ihrer Familie eine schöne Zeit verbringen können. Die beiden Schülerinnen May Bormann und Anni Henne vom Berufskolleg Senne haben dazu passende Bilder für euch gestaltet - von Angstmonster und Sonnenstrahl.  

Fragt eure Eltern doch, ob sie den Text zusammen mit euch lesen.

Es gibt Momente im Leben, da hat man Angst. Wenn es schon dunkel ist und man alleine durch den Wald laufen muss, zum Beispiel. Oder wenn man sich in der Schule super doll angestrengt hat und der Lehrer gerade die fertigen Tests verteilt und man gar nicht weiß, was für eine Note man bekommen wird. Dann will man am liebsten ganz schnell wegrennen, weit weg von der Angst. Aber manchmal geht das nicht. Manchmal bleibt die Angst da. Und dann muss man irgendwie lernen, mit der Angst umzugehen.

Kinder werden manchmal krank, dann haben sie Fieber und liegen ein paar Tage oder auch mal eine Woche im Bett, bis es ihnen wieder gut geht. Da helfen Tee und Obst und manchmal vielleicht auch Kekse. Manchmal aber, wenn auch nur ganz selten, werden Kinder so krank, dass sie nie wieder ganz gesund werden. Wenn man so krank ist, dann macht das auch Angst. Dem Kind selbst, seinen Brüdern oder Schwestern, seiner Mama, seinem Papa und Oma und Opa auch. Es ist eine Angst, die ganz doll weh tut. Zu dieser Angst gehört, dass man nicht weiß, was man machen kann, damit sie wieder weg geht. Deswegen fühlt man sich manchmal sehr alleine. Selbst wenn andere Menschen direkt neben einem stehen, hat man das Gefühl, die anderen reden nur Unsinn und verstehen gar nichts richtig. Die anderen haben ja diese Angst nicht, die man selbst spürt.

Wir sind das Kinder-Hospiz Bethel und genau für solche Situationen da. Wir wollen helfen: Zu uns dürfen Kinder kommen, die so krank sind, dass sie nie wieder ganz gesund werden. Und sie dürfen ihre Geschwister mitbringen, ihre Schwester oder ihren Bruder. Und sogar ihre Eltern. Weil es immer schöner ist, gemeinsam zu sein, auch wenn sich gerade alles doof anfühlt. Anders als in der Schule, dürfen die Kinder und ihre Familien so lange bleiben, wie sie wollen und wieder gehen, wenn sie lieber mal wieder Zuhause sein wollen. Sobald die Lust zurück kommt, darf man immer fragen, ob man wiederkommen darf. Und irgendwie bekommen wir das dann auch hin. Vielleicht nicht sofort oder morgen, aber möglichst bald. Will man einen Freund treffen, ist es ja genauso. Man ruft erst einmal an und fragt, ob er Zeit hat. Manchmal klappt es nicht sofort. Dann ist es umso schöner, wenn man sich später endlich sieht.

Solange sie bei uns sind, bekommen die Kinder ein eigenes Kinder-Zimmer und die Eltern ein eigenes Eltern-Zimmer, ganz in der Nähe. So kann man sich gegenseitig immer besuchen.

Wenn ein Kind neu ankommt, erhält es ein Geschenk. Einen kleinen Sonnenstrahl. Denn Angst macht das eigene Leben oft dunkel, dann fühlt man sich, als würden Wolken die Sonne nicht durchlassen. In einem Kinderhospiz wie Bethel wollen alle zusammen helfen und so gemeinsam erreichen, dass die Sonne wieder durchkommt und die Angst vertreibt. Deswegen darf jedes Kind seinen eigenen Sonnenstrahl gestalten.

Und für den gelten eigene Regeln: Sonnenstrahlen müssen nicht gelb sein, sondern dürfen auch grün angemalt werden oder blau oder lila. Und sie dürfen sogar aussehen wie Schnecken oder Fische, obwohl Fische ja eigentlich im Wasser leben.

Dieser Sonnenstrahl wird an den Rahmen der eigenen Zimmertür gehängt und zeigt: Der Gast ist da. 

Wenn das Kind mal wieder nach Hause geht, bekommt der Sonnenstrahl einen besonderen Platz in einem langen Gang in unserem Kinder-Hospiz. Da leuchten schon viele Sonnenstrahlen anderer Kinder und der neue hilft dabei, dass sie gemeinsam noch heller und noch bunter leuchten.

Bei so viel gemeinsamem Licht hat die dunkle Angst gar keine Chance.

Ganz besonders gestalten kann man den Sonnenstrahl in unserem Bastel-Raum. Da findet man viele Stifte, Blätter, Figuren, Kugeln und andere Dinge, um Sachen schöner zu machen. Die einen malen einen kleinen Engel, die nächsten zeichnen ein Haus oder einen Fisch. Es soll nur irgendetwas sein, was zu einem passt. Was genau das ist, entscheidet man selbst oder gemeinsam als Familie. Auch wenn der Sonnenstrahl schon fertig ist, darf man weiter dahin kommen, zum Basteln oder um Dinge zu bauen.

Zu uns kommen die Leute, um eine eigentlich schlimme Zeit ein bisschen schöner und besser zu machen. Deswegen gibt es in Bethel auch ein paar weitere Dinge, die es zu Hause vielleicht nicht gibt: Eine Konsole für Spiele am Fernsehen zum Beispiel. Oder einen Snoezelen-Raum – das ist ein Zimmer mit durchsichtigen Rohren, in die Wasser gefüllt ist, die leuchten bunt und dazu kann man Musik anmachen und sich auf das warme Wasserbett kuscheln. Das macht ruhig. Voll entspannend!

Für diejenigen, die gar nicht Entspannung suchen, sondern Action, haben wir draußen in unserem Garten. Mit einer Trampolin-Insel! Mit der kann man nicht bis zum Himmel springen, aber schon ziemlich hoch. Da gibt es nämlich ein Geheimnis, das man über die Angst wissen muss: Die Angst hat selbst Angst. Vor allem vor Spaß. Wenn Leute lachen und fröhlich sind, dann wirkt das ein bisschen wie unsere Sonnenstrahlen und die dunkle Angst verzieht sich schnell.

Die Sonnenstrahlen leuchten gemeinsam am hellsten. Und so ist es auch mit den Menschen. Deswegen haben wir auch einen großen Raum, in dem alle gemeinsam essen dürfen, wenn sie wollen. Und wir organisieren Ausflüge, im Sommer zum Eis essen oder in den Zoo und im Winter ins Kino oder zur Kegelbahn. So richtig toller Spaß lebt ja auch von der Abwechslung, mal andere Dinge zu machen und Abenteuer zu erleben.

Nun kennt man das: Egal wie viel Spaß man hat, egal wie fröhlich man ist und wie viel Freude einem die Dinge machen, die man gemeinsam erlebt – irgendwann kommt vielleicht nicht die Angst zurück, aber die Traurigkeit. Sie fühlt sich vielleicht an, wie ein fester Klumpen, der den Bauch zusammendrückt oder wie eine Hand, die fest am Hals zupackt. Manche Erwachsene denken, es ist falsch, traurig zu sein oder wütend. Aber das stimmt nicht. Es ist okay. Denn es stimmt ja: Wir können alles ein wenig schöner machen, aber die Situation bleibt trotzdem schlimm. Kinder, die so krank sind, dass sie nie wieder ganz gesund werden können, die werden irgendwann sterben. Meistens nicht heute oder morgen und auch noch nicht nächste Woche, aber irgendwann. Und dann fehlt ja ein Mensch, der einem ganz doll wichtig ist und den man super lieb hat. Und den sieht man dann nicht mehr. Da traurig zu sein oder wütend oder sogar beides, ist völlig okay. Auch wenn es weh tut, zeigt das ja: Man hat den anderen Menschen sehr sehr lieb.

Damit andere das sehen, bekommt jedes kranke Kind ganz zum Schluss noch ein Geschenk: Einen Gedenk-Stein in unserer Erinnerungswand hinter dem Haus. Das sind besondere, bunte Steine in grün, orange, blau oder anderen Farben, auf manchen ist etwas eingraviert, also ein Wort, ein Satz oder eine kleine Geschichte geschrieben. Oder irgendetwas, das dem Kind wichtig war. Jeder Stein ist einzigartig, genau wie unsere Sonnenstrahlen.

Aber klar, es stimmt: Wenn ein Mensch stirbt, den man ganz ganz arg lieb hat, dann macht einen das traurig. Sehr traurig.

Das kann man nicht ändern und auch wir vom Kinder-Hospiz Bethel können leider nicht zaubern, und Kinder einfach wieder gesund machen. Aber wir sind Experten für eine möglichst schöne Zeit, für Spaß, Freude und für den Austausch mit anderen Kindern, denen es genauso geht. Wir können helfen, die Zeit, die da ist, so schön wie möglich zu gestalten. Ein bisschen ist es wieder, wie mit der Sonne: Der Tag geht irgendwann zu Ende. Aber wir tun alles dafür, dass es ein Tag wird, an dem die Sonne hell und kräftig scheint.

Text: ©Manuel Stark - manuelstark.de

Illustrationen: ©May Bormann + Anni Henne

Wie könnte so ein Tag im Kinderhospiz für Dich aussehen?